Der Gazakrieg dauert schon Monate an

Die Berichte über den „neuen Gazakrieg“ sind verblüffend. So schreibt die FAZ: „Noch einmal tausend tote Palästinenser kann sich Israel nicht leisten. Denn in den arabischen Staaten regieren nun gewählte Repräsentanten von Islamisten. Das gilt nicht zuletzt für Ägypten.“ Da wird unausgesprochen unterstellt, Israel habe den jetzigen Konflikt absichtlich vom Zaun gebrochen. Richtig ist vielmehr, Israel hat den Zeitpunkt zum Zurückschlagen bewusst gewählt. Seit Beginn des Jahres sind rund 700 Raketen vom Gazastreifen auf Israel abgeschossen worden. Seit Beginn des israelischen Gegenschlags sind noch einmal rund 500 Raketen von militanten Palästinensern gestartet worden.

Sicher hat eine Rolle gespielt, dass die Präsidentschaftswahlen in den USA vorbei sind. Der entscheidende Punkt ist jedoch, dass Israel mit Boden-Boden-Raketen aus dem Gazastreifen beschossen wird – zum ersten Mals seit 1991, als Saddam Hussein große Städte in Israel mit Raketen angreifen ließ. Rund die Hälfte der Raketen aus dem Gazastreifen holen israelische Abwehrraketen vom Himmel. Die verbleibenden 50% sind meist, leider aber nicht immer, so ungenau, dass sie nur Sachschaden anrichten. Mit anderen Worten, die israelische Bevölkerung befindet sich seit vielen Monaten im „Gazakrieg“, nicht erst seit Israel zurückschlägt.

Es ist gewiss richtig, dass islamistische Regierungen in Ägypten und anderen arabischen Ländern die Situation Israels nicht leichter machen. Das stimmt aber auch für die immer weiter fliegenden und immer genauer werdenden Raketen, die der Hamas zur Verfügung gestellt werden. Die Zuspitzung des Konflikts erfolgt nicht durch die israelischen Gegenschläge sondern durch die immer stärker im Raum stehende Frage nach der weiteren Existenz Israels.

Deshalb steht nicht zur Debatte, ob sich Israel noch einmal 1000 tote Palästinenser leisten kann. Es geht, stärker denn je, für Israel um Sein oder Nichtsein. Man muss sich mal vorstellen. Die Palästinenser beschießen Israel monatelang mit Hunderten Raketen. Nun schlagen die Israelis zurück, und die Palästinenser schwören, sich dafür bitter zu rächen. Das ist skandalös, nicht zuletzt auch weil die deutschen Medien in heuchlerischer Ausgewogenheit darüber berichten. Die palästinensischen Raketen werden erwähnt, aber die Opfer sind ebenfalls alle palästinensisch.

Solange diese Heuchelei weiter betrieben wird, gibt es auch keine ausgewogene Berichterstattung über den Nahostkonflikt. Ein weiteres sehr hässliches Element dieser Heuchelei ist das Aufrechnen der Zahl der Opfer auf beiden Seiten. Die Israelis sind stets die brutalen Massenmörder, die auch Frauen und Kinder nicht schonen.

Die Israelis haben im Laufe der Jahrzehnte viele Fehler gemacht. Der wohl schwerwiegendste in der jetzigen Situation ist die Siedlungspolitik. Aus vorwiegend religiösen Gründen wird das Westufer des Jordan besiedelt, während der Gazastreifen palästinensisch belassen wird. Umgekehrt wäre es logischer. Der Gazastreifen ist sicherheitspolitisch immer ein Problem, wenn er palästinensisch ist. Andererseits kann eine Zweistaatenlösung nur funktionieren, wenn man den Palästinensern auch ein „vernünftiges“ Staatsgebiet zugesteht. Das ist auf dem Westjordanufer sinnvoller als im Gazastreifen.

Wer den militanten Palästinensern Raketen und andere Waffen liefert, dient nicht dem Frieden. Für eine Lösung des Konflikts, für die friedliche Koexistenz eines palästinensischen und eines israelischen Staates sind andere Voraussetzungen nötig. Nur wenn das Existenzrecht Israels allgemein akzeptiert und gesichert ist, kann maximaler Druck auf Jerusalem ausgeübt werden, damit es auch zu einer Einigung mit den Palästinensern kommt. Es hat auch keinen Sinn, auf Initiativen der islamischen Welt zu hoffen. Die ist viel zu verstritten. Es sind die gemäßigten unter den Moslembrüdern und den israelischen Politikern auf die man hoffen muss. Europa kann dazu beitragen, indem es diese Kräfte stärkt. Der Umbruch, der in der arabischen Welt gerade stattfindet, bietet dafür langfristig einige Chancen.

Über Werner Kastor

Lebe seit über 40 Jahren in England. Bin im Medienbereich tätig. Meine, Deutschland spielt weiterhin eine sehr wichtige Rolle in Europa. Verfolge daher die Ereignisse dort.
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