Der Sieg Wolodimir Selenskys bei den Präsidentschaftswahlen in der Ukraine ist zwar bemerkenswert. Viel bemerkenswerter ist jedoch, dass er siegen durfte. Es waren freie Wahlen. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Das Land befindet sich im Krieg, hat wirtschaftliche Probleme und Korruption und Oligarchen dominieren noch immer. Die Wahl Selenskys wird daran kurzfristig auch nichts ändern.
Aber es gibt Hoffnung. Selensky mag ein Komiker sein, aber er ist kein Clown. Er unterscheidet sich vom amtierenden US-Präsidenten auch anderweitig. Trump weiss alles, und zwar immer besser. Er lobt sich auch selbst über alle Maßen. Selensky dagegen ist bescheiden und gibt offen zu, dass er erst noch lernen muss. Die politische Ausrichtung der beiden Kandidaten in der Stichwahl war gleich: pro-westlich, pro-EU, pro-Nato. Es wäre auch falsch, den bisherigen Amtsinhaber Petro Poroschenko wegen seiner Amtsführung zu stark zu kritisieren. Es hat Fortschritte bei der Bekämpfung der Korruption gegeben. Aber das Wahlvolk ist enttäuscht. Der Krieg dauert an, die Wirtschaft wächst sehr langsam und die Korruption ist zwar geringer, aber noch immer vorherrschend.
Selensky wird sich daran messen lassen müssen, ob er den Krieg in der Ostukraine beenden kann, ob er der Korruption Herr wird und ob die Wirtschaft spürbar wächst. Sehr wichtig ist dabei sein Verhältnis zu den Oligarchen. Poroschenko hat dabei ein wenig Glück gehabt und ganz ordentlich vorgelegt. Aber es reicht nicht.
Rinat Achmetow, ein Oligarch der Janukowitsch-Ära wollte auf beiden Seiten des Krieges Einfluss haben. Es mißlang. Im Donbass wurden seine Kohlegruben und Stahlwerke vergesellschaftet. In der Ukraine selbst wurde er wegen seiner finanziellen Hilfe für die Separatisten angeklagt.
Viktor Pinchuk wurde von Igor Kolomoisky in London vor Gericht gezerrt. Beide sind Oligarchen der ersten Stunde. Es ging um zwei Milliarden Pfund und Erpressung des ukranischen Ex-Präsidenten Kutchma,
Vadim Novinsky, ein reiches Mitglied des Parlaments, hatte beachtlichen Besitz auf der Krim und die russische sowie ukrainische Staatsbürgerschaft. Das ist nicht erlaubt. Er ist kein Milliardär mehr und wurde 2015 ausgebürgert.
Weitere Namen auf der Liste gescheiterter Oligarchen und korrupter Karrieristen sind der frühere Gouverneur von Lugansk, Oleksander Efremow und Michaelo Tschetschetow, der später Selbstmord beging.
Igor Kolomoisky ist ein erbitterter Gegner Poroschenkos und ist zeitweilig ins Exil gegangen. Er ist der Eigentümer des TV-Senders, der die Komödie überträgt, in der Selensky die Hautrolle als versehentlicher Präsident der Ukraine spielt. Selensky hat sich schon mehrfach kritisch über die Oligarchen geäußert, auch über Kolomoisky.
Selensky muss weiterhin glaubwürdig unabhängig bleiben. Das ist die Voraussetzung für ein Gelingen seiner Präsidentschaft. Erfolg heißt für ihn aber auch vor allem ein Ende des Krieges im Osten und spärbare Fortschritte bei der Bekämpfung der Korruption. Der Rest ergibt sich dann praktisch von selbst. Die Wahl des Schauspielers Selensky könnte sich als Glücksfall für die Ukraine und Europa erweisen. Sollte er jedoch allen etwas vorgespielt haben, ist die nächste große Krise in Europa vorprogrammiert.