Nicht jeder Komiker ist ein Clown

Der Sieg Wolodimir Selenskys bei den Präsidentschaftswahlen in der Ukraine ist zwar bemerkenswert. Viel bemerkenswerter ist jedoch, dass er siegen durfte. Es waren freie Wahlen. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Das Land befindet sich im Krieg, hat wirtschaftliche Probleme und Korruption und Oligarchen dominieren noch immer. Die Wahl Selenskys wird daran kurzfristig auch nichts ändern.

Aber es gibt Hoffnung. Selensky mag ein Komiker sein, aber er ist kein Clown. Er unterscheidet sich vom amtierenden US-Präsidenten auch anderweitig. Trump weiss alles, und zwar immer besser. Er lobt sich auch selbst über alle Maßen. Selensky dagegen ist bescheiden und gibt offen zu, dass er erst noch lernen muss. Die politische Ausrichtung der beiden Kandidaten in der Stichwahl war gleich: pro-westlich, pro-EU, pro-Nato. Es wäre auch falsch, den bisherigen Amtsinhaber Petro Poroschenko wegen seiner Amtsführung zu stark zu kritisieren. Es hat Fortschritte bei der Bekämpfung der Korruption gegeben. Aber das Wahlvolk ist enttäuscht. Der Krieg dauert an, die Wirtschaft wächst sehr langsam und die Korruption ist zwar geringer, aber noch immer vorherrschend.

Selensky wird sich daran messen lassen müssen, ob er den Krieg in der Ostukraine beenden kann, ob er der Korruption Herr wird und ob die Wirtschaft spürbar wächst. Sehr wichtig ist dabei sein Verhältnis zu den Oligarchen. Poroschenko hat dabei ein wenig Glück gehabt und ganz ordentlich vorgelegt. Aber es reicht nicht.

Rinat Achmetow, ein Oligarch der Janukowitsch-Ära wollte auf beiden Seiten des Krieges Einfluss haben. Es mißlang. Im Donbass wurden seine Kohlegruben und Stahlwerke vergesellschaftet. In der Ukraine selbst wurde er wegen seiner finanziellen Hilfe für die Separatisten angeklagt.

Viktor Pinchuk wurde von Igor Kolomoisky in London vor Gericht gezerrt. Beide sind Oligarchen der ersten Stunde. Es ging um zwei Milliarden Pfund und Erpressung des ukranischen Ex-Präsidenten Kutchma,

Vadim Novinsky, ein reiches Mitglied des Parlaments, hatte beachtlichen Besitz auf der Krim und die russische sowie ukrainische Staatsbürgerschaft. Das ist nicht erlaubt. Er ist kein Milliardär mehr und wurde 2015 ausgebürgert.
Weitere Namen auf der Liste gescheiterter Oligarchen und korrupter Karrieristen sind der frühere Gouverneur von Lugansk, Oleksander Efremow und Michaelo Tschetschetow, der später Selbstmord beging.
Igor Kolomoisky ist ein erbitterter Gegner Poroschenkos und ist zeitweilig ins Exil gegangen. Er ist der Eigentümer des TV-Senders, der die Komödie überträgt, in der Selensky die Hautrolle als versehentlicher Präsident der Ukraine spielt. Selensky hat sich schon mehrfach kritisch über die Oligarchen geäußert, auch über Kolomoisky.
Selensky muss weiterhin glaubwürdig unabhängig bleiben. Das ist die Voraussetzung für ein Gelingen seiner Präsidentschaft. Erfolg heißt für ihn aber auch vor allem ein Ende des Krieges im Osten und spärbare Fortschritte bei der Bekämpfung der Korruption. Der Rest ergibt sich dann praktisch von selbst. Die Wahl des Schauspielers Selensky könnte sich als Glücksfall für die Ukraine und Europa erweisen. Sollte er jedoch allen etwas vorgespielt haben, ist die nächste große Krise in Europa vorprogrammiert.

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Was ist „soziale Marktwirtschaft“

„Wer Sozialismus will, muss immer noch eine ordentliche Revolution veranstalten,“ behauptet Rainer Hank. Das ist genau so ein Unfug wie die Behauptungen von Peter Altmaier und Markus Söder, die Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne wäre Sozialismus à la der DDR. Söder und Altmaier haben offensichtlich keine Ahnung was Sozialismus ist und von der DDR wissen sie auch nicht viel. In der DDR gab es keine sozialistische Wirtschaftsordnung. Dort firmierte Staatskapitalismus als sozialistisches Volkseigentum.

Wenn in Berlin jetzt die Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne(mit mehr als 3000 Wohnungen) versucht wird, hat das nichts mit Verstaatlichung zu tun und auch nicht mit Sozialismus. Der größte Teil dieser Wohnungen befand sich vor wenigen Jahren noch im Besitz senatseigener Wohnungsgesellschaften, ohne dass Berlin sozialistisch gewesen wäre. Die staatliche Eisenbahn in Frankreich macht unseren Nachbarn ebenfalls nicht sozialistisch, ebenso wenig wie der nationale Gesundheitsdienst (NHS) in England dort den Sozialismus etabliert.

Es gibt in einer Volkswirtschaft Bereiche, die sich einfach nicht für die Marktwirtschaft eignen, entweder weil kein echter Wettbewerb möglich ist (Wasser- und Abwasserwirtschaft) oder weil er aus sozialen Gründen nicht erwünscht ist (Eisenbahnen, Gas- und Elektrizitätsversorgung, Gesundheitswesen). Wenn es derartige vergesellschaftete Bereiche in einer Volkswirtschaft gibt, ist diese noch lange kein Sozialismus, es sind vielmehr Elemente einer sozialen Marktwirtschaft.

Die FAZ bemüht sich ja immer wieder, wie auch die FDP, das Soziale der Marktwirtschaft, die in Deutschland praktiziert werden soll, darauf zu beschränken, dass Marktmissbrauch verhindert wird. Danach wären die USA eine soziale Marktwirtschaft, denn dort gibt es Kartellämter, die den Wettbewerb sichern. Das Soziale der Marktwirtschaft in Deutschland hat als Grundvoraussetzung, dass nach dem Grundgesetz Eigentum verpflichtet und Enteignungen zum Allgemeinwohl möglich sind. Die Behauptung der Rechtsexperten, Artikel 15 GG sei bisher noch nie angewandt worden, stimmt natürlich nur zur Hälfte. Alle bisherigen Enteignungen an Grund und Boden sind gleichermaßen nach Artikel 14 und 15 begründet, man hat sich bisher nur mit Artikel 14 begnügt.

Das zum Thema sachlich relevante Argument, durch Vergesellschaftung werde keine einzige neue Wohnung gebaut, ist ebenso schief. Natürlich werden dadurch keine neuen Wohnungen gebaut. Das ist auch nicht das Ziel. Es soll die Profitmaximierung der großen Gesellschaften verhindert werden, die die Mieten hochtreibt. Daneben muss auch fleissig gebaut werden, denn ein gutes Angebot, also viele gute Wohunungen, senkt den Preis. Es gibt eine Reihe weiterer Massnahmen, die zum Ziel führen, etwa die Beseitigung bürokratischer Hindernisse.

Die psychopathischen Anwandlungen einiger Politiker und Journalisten, wenn das Wort Vergesellschaftung fällt, zeigen, Bildung und Intelligenz sind keine Garantie für sachgerechte Argumente. Der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht, Di Fabio, nennt Artikel 15 GG eine „vertrockneten Norm“. Der FDP-Politiker Marco Buschmann spricht vom „Blinddarm“ des Grundgesetzes: „Enthalten, aber nutzlos und im Zweifel ein Entzündungsherd.“ Der echte politische Entzündungsherd sind krankhafte Reflexe aus einer inzwischen doch schon historischen Zeit.

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Strategische Optionen: USA & Europa

Die USA wollen verhindern, dass Nord-Stream 2 gebaut wird. Die zweite Gaspipeline direkt von Russland nach Deutschland verlegt, umgeht die Ukraine und Polen. Die Durchleitungsgebühren dieser Länder für bestehende Überlandleitungen entfallen jedoch nicht. Deutschland hat den Russen das Zugeständnis der weiteren Nutzung dieser Pipelines abgerungen. Der deutsche und westeuropäische Energiebedarf rechtfertigt den Bau der Nord-Stream-2-Gasleitung. Der Ausstieg aus der Kohle und die Stilllegung der Atomkraftwerke in Deutschland können nicht allein durch erneuerbare Energien ausgeglichen werden.

Die Haltung der Amerikaner unter Trump wird durch den Wunsch geprägt, ihr eigenes Frackinggas als Flüssiggas in Deutschland zu verkaufen. Die feindselige Haltung der USA gegenüber Russland spielt allerdings genauso mit hinein. 30 Jahre nach dem Fall der Mauer sind die strategischen Ansätze in Washington und Berlin doch recht unterschiedlich geworden.

Schon unter Obama wurde Russland als Regionalmacht abgetan und weltpolitisch nicht mehr ernst genommen. Das hatte und hat seinen Grund in der wachsenden Hinwendung der USA zum pazifischen Raum und dem immer stärker werdenden China. Die Schwächung Russlands unter Jelzin war ein weiterer Faktor. Der NATO-Russlandrat(1997) hat auch nie die ihm anfangs zugedachte Bedeutung erlangt, nämlich die strategische Einbindung Russlands in das Bündnis.

Die Deutschen setzen weiter auf Gespräche und wirtschaftliche Zusammenarbeit einerseits und harte, klare Positionen (Ukraine) andererseits. Washington hingegen ist konfrontationsbereit und handelt dementsprechend. Das hat sich bei der Aufstellung von Raketenabwehrsystemen in Polen gezeigt und bei der Bereitwilligkeit, Waffen in die Ukraine zu liefern. Das Bestreben der USA, die Ukraine auch in die NATO aufzunehmen, zeigt in die gleiche Richtung. Die Deutschen haben sich jedoch dagegen gewandt. Der Mythos, der Westen habe Russland bei der Osterweiterung der NATO ausgetrickst, lässt sich allerdings nicht halten.

Es stimmt, die Außenminister Genscher und Baker waren sich bei ihrem Treffen 1990 in Washington einig, dass die NATO nicht nach Osten erweitert werden sollte. Das bezog sich aber im wesentlichen auf die DDR. Schließlich gab es zu dieser Zeit noch den Warschauer Pakt(bis März 1991), dem außer Rumänien der gesamte Ostblock angehörte. Baker sicherte seinem sowjetischen Kollegen mündlich zu, die DDR aus der NATO raus zu halten. Washington kam aber zu dem Schluss, dass es Unsinn wäre, nur das halbe Deutschland in der NATO zu haben und teilte dies zwei Tage später den Sowjets mündlich mit. Die Sowjets widersprachen dem nicht. Sie verlangten allerdings, dass keine NATO-Truppen, ausser der Bundeswehr, in der DDR stationiert werden dürften. Daran hat man sich auch gehalten.

Es mag nachvollziehbar sein, dass Putin versucht, die weltpolitische Geltung Russlands wieder zu etablieren. Doch sind seine Bemühungen zum Teil konterproduktiv. Das Eingreifen des russischen Militärs in Georgien 2008, die Annexion der Krim sowie der andauernde Krieg im Osten der Ukraine haben die NATO revitalisiert und das amerikanische Interesse an Europa wieder gestärkt. Präsident Trump mit seiner erratischen Politik gegenüber Russland und Europa sowie seinen Äußerungen zur NATO trägt allerdings seinen Teil dazu bei, den Ost-West-Konflikt zu schüren und Europa von den USA abzunabeln. Sollte Trump wieder gewählt werden, könnte seine Politik ein ernstes Problem für Europa werden, wenn sich die Europäer nicht zusammen raufen und die politische und militärische Integration vorantreiben.

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Brexit: Es hat alles sein Gutes

In London ist alles möglich, insbesondere beim Brexit. Rum-Maulen nützt nichts. Das Chaos ist gekonnt. Die Situation im Unterhaus zeigt nur die Zerrissenheit der britischen Gesellschaft in dieser Frage. Theresa Mays Unfähigkeit, einen Konsens zu schaffen, demonstriert dies ebenso wie die Weigerung des Unterhauses zu beschließen, was die Parlamentarier wirklich wollen. Die weiterhin bestehende vitale Eigenständigkeit des Unterhauses hat aber der Sprecher, John Bercow, gezeigt, als er verhinderte, dass Mays Plan zum dritten Mal zur Abstimmung vorgelegt wurde.

Der 12. April ist nun der „neue“ 29. März. Die EU hat das so festgelegt. Eine konstruktive, demokratische Lösung des Wirrwarrs ist mit den neu vorgegebenen Terminen aber nicht möglich. Im Grunde bedeutet der neue Termin lediglich, entweder wird die Anwendung des Artikels 50 des EU-Vertrags gestoppt und das Vereinigt Königreich (VK) bleibt in der EU oder es gibt einen harten Brexit. Eine erneute Vorlage und Annahme des von May und der EU ausgehandelten Vertrags ist in diesem Zeitraum jedenfalls nicht zu schaffen. Könnte Mays Plan angenommen werden, hätte man zwar noch bis Ende Mai Zeit, aber dass dies nicht geht, dafür hat John Bercow gesorgt.

Welche Möglichkeiten gibt es also noch? Neben den beiden genannten geht nur noch eine positive Entscheidung des Unterhauses. Alternative Abstimmungen, bei denen man schließlich zu einem kleinsten gemeinsamen Nenner kommt, wären eine Variante. Eine Abstimmung über den Mayplan, der zusätzlich vorsieht, bei Annahme ein Referendum durchzuführen, wäre ebenfalls möglich. Bercows Einwand wäre dann obsolet. Mays Plan wäre dann ja wesentlich verändert, könnte also wieder vorgelegt werden. Das Unterhaus könnte jeden Plan beschließen. Es müsste nur einer sein, der klar sagt, rein oder raus. Sonst spielt Brüssel nicht mit.

Die Pro-EU-Demo am vergangenen Sonnabend, eine der größten in der Geschichte Britanniens, sowie die Unterschriftenkampagne mit über 5 Mio Unterschriften, die ein weiteres Referendum verlangt, sind beachtliche Druckmittel, die das Unterhaus nicht ignorieren kann. Es ist sogar gezwungen, die Referendumforderung zu diskutieren, da es mehr als 100 000 Unterschriften sind. Das heißt nun aber nicht, dass es eine Mehrheit für irgendwas im Unterhaus gibt.

Die Demonstration und die Unterschriften können aber für eine ganze Reihe Abgeordneter ein willkommenes Argument sein, sich für ein Referendum einzusetzen. In welcher Form – ob als eigenständige Abstimmung oder als Konsequenz einer Annahme des Mayplans – ist dabei unwichtig. Selbst wenn das Unterhaus als letzten Ausweg Neuwahlen beschließt, weil man sich sonst auf nichts anderes einigen kann, wäre ein drittes Referendum (1. Ref. 1975, 2. Ref. 2016) nach diesen Wahlen die klügste Entscheidung.

Alle Abgeordneten, die fürchten, in ihrem Wahlkreis abgewählt zu werden, wenn sie jetzt „falsch“ abstimmen, hätten dann die Chance auf ein weiteres Mandat. Die EU würde sich auch einer weiteren Terminverschiebung unter diesen Umständen nicht verweigern. Die Briten müssten dann allerdings an den Wahlen zum Europäischen Parlament teilnehmen. Der Haken an der Geschichte ist, dass nach den geltenden Regeln zwei Drittel des Parlaments für Neuwahlen stimmen müssten.

Nun kann nach Londoner Spielregeln Theresa May erst wieder im Dezember dieses Jahres abgesetzt werden, nach dem gescheiterten Versuch Ende letzten Jahres. Sie wird aber auch nicht zurücktreten, das wäre ein Eingeständnis ihres Scheiterns. Das Unterhaus muss sich also schon selbst auflösen und Neuwahlen beschließen. Das wäre das positivste Ergebnis der permanenten negativen Abstimmungsergebnisse des britischen Unterhauses.
© dorfpolitik

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DEMOKRATIE: ES WIRD ENDZEITSTIMMUNG VERBREITET

Selten engagiert sich ein Diktatur für die Demokratie. Viel öfter benutzen „lupenreine“ Demokraten diktatorische Mittel. Deshalb klingt es eigenartig, wenn ein prominenter CDU-Politiker klagt, die Demokratie werde von außen herausgefordert. Was erwartet er denn von Autokraten? Bedenklicher ist es, wenn der gleiche Mann feststellt, dass die Demokratie auch von innen bedroht ist. Da gibt es wirklich Grund zur Sorge.

Es geht nicht um die, die sich einen „guten“ Diktator auf Zeit wünschen wie einen „guten König“. Das sind politische Kinderträume. Es geht in erster Linie um fehlendes Demokratieverständnis. Zur Demokratie gehören Kompromisse, Geduld und die Einsicht, dass man nicht alles haben kann, vor allem nicht gleichzeitig. Das ist eine Grundvoraussetzung. Wenn man sich die Kindererziehung der letzten Jahrzehnte anschaut, kann man sich daher richtig Sorgen um die Zukunft der Demokratie machen. Das nur nebenbei.

Falsche Informationen und die modernen Medien werden oft für die Gefährdung der Demokratie verantwortlich gemacht. Das ist die halbe Wahrheit – nein, noch weniger. Falschinformationen, politische Lügen hat es schon immer gegeben. Die modernen Medien verbreiten sie nur sehr schnell. Hinzu kommt erschwerend, dass die journalistische Ethik sehr opportunistisch und heuchlerisch geworden ist. Die alte solide Trennung zwischen Bericht und Kommentar fehlt praktisch überall. Das melodramatische Schauspielern von Klaus Kleber gilt heute als gute journalistische Arbeit, wird – wie die Bildzeitung – nicht als Volksverblödung erkannt.

Die schnelle Verbreitung von und die Menge an falschen und richtigen Informationen brauchen einen Moderator: Bildung. Verschwörungstheorien und Zweifel an allem entstehen leicht bei Ignoranz. Deshalb ist eine breit angelegte Allgemeinbildung eine gute Basis für demokratisches Denken. Klappt nicht immer, zugegeben. Es gibt intellektuelle Ganoven, die genau wissen, was sie tun. Bildung allein reicht also nicht. Es kommt wohl auf das Weltbild an. Heute wird viel von Werten geredet. Das ist dasselbe. Leider entsteht bei der Wertediskussion oft der Eindruck, es handele sich um Gehirnwäsche.

Demokratie muss vorgelebt und erfolgreich praktiziert werden. Dazu gehört Bürgernähe, Bürokratieabbau und Toleranz. Hohle Phrasen, Worthülsen, Rechthaberei und legalistisches oder ideologisches Dogma sind Feinde der Demokratie. Wer sich hinter Gesetzen oder Werten versteckt, zerstört demokratisches Denken. Beispiel: Freiheit ist nach Hegel die Einsicht in die Notwendigkeit. Das stimmt bei Naturgesetzen, an denen kann man nicht vorbei. Im politischen Bereich sieht es anders aus. Da ist es philosophisch-rhetorischer Quatsch. Ob die Einsicht in bestimmte politische „Notwendigkeiten“ wirklich Freiheit bedeutet, kann man durchaus diskutieren. Demokratie kann durch ein für notwendig gehaltenes Gesetz (Verfassung) nur legalisiert werden. Legitimität aber muss jeden Tag erneut erworben werden.

In Zeiten eines Trump, Putin oder Erdogan fällt einem die Frage ein, die früher im griechische Götterhimmel zu hören war: Was tun, sprach Zeus, die Götter sind besoffen? Wenn Zeus diese Frage nicht gestellt haben sollte, so müsste er es heute doch tun. Kurzum, die Antwort auf die Gefährdung der Demokratie kann wohl nur sein: Rückkehr zu guten, altmodischen journalistischen Werten, breite Allgemeinbildung, Abbau der Bürokratie, mehr Basisdemokratie über an der Basis vernünftig zu entscheidende Probleme(also keine Brexitreferenda) und größere Ehrlichkeit und Offenheit der Politiker. Das Herumeiern vor der Fernsehkamera schadet der Demokratie mehr als das Gespenst der digitalen Welt der angeblich sozialen Medien.

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INF-Ende – Ein Weckruf?

Es wird wieder politisches Theater gespielt. Der INF-Vertrag ist schon lange tot. Wegen der russischen Raketen vom Typ SSC-8 hat die Regierung in Washington nun Anfang dieses Monats den INF-Vertrag gekündigt. Die Russen kündigten danach ebenfalls. Der Vertrag über das Verbot nuklearer Raketen von 1987, also über den Verzicht auf landgestützte atomare Mittelstreckenwaffen mit Reichweiten zwischen 500 und 5500 Kilometern, läuft demnach nach sechs Monaten im August aus. Die SSC-8-Raketen sollen eine Reichweite von über 2000km haben. Die Russen behaupten, es wären nur 480km.

Der INF-Vertrag wird aber nicht nur von den Russen gebrochen. Er ist inzwischen auch ziemlich unsinnig geworden. Er sollte die Gefahr eines nuklearen Krieges in Europa verhindern. Kurzstreckenraketen (150-500km) wurden vom Vertrag nicht erfasst, ebenso wenig land- oder luftbasierte Raketen. Das Wettrüsten zwischen den USA und der Sowjetunion hatte Moskau nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Überlegungen bewegt, den Vertrag zu schließen. Heute hat sich das politisch-militärische Interesse der USA und zum Teil auch Russlands in den pazifischen Raum verlagert.

Außerdem haben China, Pakistan, Nordkorea und der Iran Mittelstreckenraketen entwickelt, die nukleare Sprengköpfe tragen können. Aber die militärtechnische Entwicklung ist inzwischen überall weiter gegangen. China, die USA und Russland denken und handeln global. Die USA als führendes NATO-Mitglied brauchen keine Mittelstrecken, um Europa gegen die Russen zu verteidigen. Sie wollen sowieso, dass die Europäer sich selbst verteidigen. Die Logik ist nicht ganz von der Hand zu weisen.

Sie wollen allerdings, dass die Europäer das innerhalb der NATO tun. Da sich Europa aber weder konventionell noch atomar auf die USA verlassen können und selbst in beiden Bereichen kein ernst zu nehmender Kontrahent der Russen wäre, ist Umdenken und zügiges Handeln in Europa notwendig.

Bisher wird in Deutschland nur darüber gesprochen, den INF-Vertrag zu retten und möglichst auf andere Länder(siehe oben) auszuweiten. Das ist im Prinzip lobenswert, doch ein hoffnungsloses Unterfangen. Keine der asiatischen Nuklearmächte hat ein Interesse daran. Europa wiegt sich da in Illusionen.

Nach Jahrzehnten des Versteckens hinter den Amerikanern sollte Deutschland einen ehrlichen und umfassenden Beitrag zu einer wirksamen europäischen Sicherheitspolitik leisten. Auf die Mittelstreckenraketen bezogen heißt das, europäische Projekte mit den Franzosen, vielleicht den Briten und sicher auch mit anderen EU-Ländern zu betreiben. Den nuklearen Teil kann man dabei gerne Paris und eventuell eben auch London überlassen.

Die Aggressivität Russlands und Putins Wille, territoriale Grenzen in Europa zu verschieben, sind nicht zuletzt in Deutschland unterschätzt worden. Das Ende des INF-Vertrags zeigt eine wichtige militärische Lücke in Europa auf. Es reicht heute nicht mehr aus, dass Deutschland wirtschaftlich ganz oben mitreden kann. Die ökonomische Position Deutschlands und Europas muss auch sicherheitspolitisch gestützt werden, um nicht Spielball internationaler Verwerfungen zu werden.

Wenn Russland am Asowschen Meer, in der Ukraine, in Georgien oder gar im Baltikum hustet, muss die EU in der Lage sein, Moskau deutlich zu machen, dass das europäische Immunsystem in der Sicherheitspolitik stark genug ist, um eine Ansteckung zu verhindern. Die nächsten sechs Monate sollten dazu genutzt werden, einen Weg einzuschlagen, um dies zu erreichen. Der INF-Vertrag ist eines natürlichen Todes gestorben.

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Brexit-Finale

Der Weg der Briten beim Brexit ist verworren, ein Labyrinth. Er könnte durchaus dort enden, wo er begonnen hat – in der EU. Die Bevölkerung ist polarisiert, das Parlament zerstritten und die Regierung völlig verunsichert. In der kommenden Woche sollte zumindest die Richtung klar werden, in der sich Londons Bemühungen bewegen.

Dienstag und Mittwoch dieser Woche hat das Parlament der Regierung durch zwei Gesetzesänderungen finanzielle und vor allem inhaltliche Vorgaben gemacht, wie es weiter gehen soll. Am 15. Januar wird über die Vorlage der Premierministerin Theresa May abgestimmt, die sie mit Brüssel ausgehandelt hat. Dieses Votum wird sie sehr wahrscheinlich verlieren. Danach muss sie innerhalb drei Tagen erklären, wie ihr Plan B aussieht. Wenn Sie auf Zeit spielen sollte, hat das Parlament die finanziellen Mittel eingefroren, so dass es, etwa so wie in den USA, zu einem Stillstand der Regierungstätigkeit kommt.

Das Unterhaus kann nach dem 15. Januar alle weiteren Vorschläge der Premierministerin ändern und so selbst bestimmen, wie es weiter geht. Nun ist es aber so, dass das Unterhaus sich gerade darüber überhaupt nicht einig ist. Zur Wahl stehen dann der Brexit ohne ein Abkommen mit der EU, Neuverhandlungen oder eine Rücknahme des EU-Austritts.

Neuverhandlungen hat Brüssel schon abgelehnt. Die beiden anderen Optionen sind nicht so einfach zu realisieren. Um das Austrittsverfahren zurückzunehmen, muss das Unterhaus ein Gesetz verabschieden. Dafür wird zur Zeit mit großer Sicherheit keine Mehrheit der Abgeordneten stimmen. Für den Brexit ohne Abkommen gibt es aber ebenfalls keine Mehrheit.

Es bietet sich also an, Neuwahlen auszuschreiben, um dann eine erneute Entscheidung über den Brexit zu treffen, oder ein weiteres Referendum durchzuführen, vielleicht auch beides nacheinander. Dazu ist in beiden Fällen notwendig, dass Brüssel die Uhr anhält und der Austrittstermin verschoben wird. Es lohnt sich ein Blick zurück, wie das alles begonnen hat.

Im Dezember 2016 stimmten 461 Abgeordnete für die Gesetzesvorlage der Regierung, die EU zu verlassen und 89 Abgeordnete dagegen. Am 23. Juni des Jahres hatte die britische Bevölkerung mit 52 zu 48% entschieden, die britische Mitgliedschaft in der EU aufzukündigen. Am 29. März 2017 folgte das Austrittsgesuch der Briten gemäß Artikel 50 des Europäischen Vertrags.

Das Referendum fand statt, weil der damalige Premier David Cameron den Streit innerhalb der Konservativen Partei über die EU-Mitgliedschaft dadurch beenden wollte. Er war selbst für eine weitere EU-Mitgliedschaft. Die Abstimmung ging daneben und Cameron machte sich still und leise vom Acker.

Im Vorfeld des Referendums hatte es bei den Brexiteers wilde Lügen gegeben, die Donald Trump alle Ehre gemacht hätten. Auf seiten der EU-Befürworter waren die negativen Folgen des Austritts übertrieben worden. In den zwei Jahren seit dem Referendum hat sich indessen gezeigt, dass bereits jetzt sehr deutliche wirtschaftliche Nachteile für Großbritannien entstehen. Die Stimmung im Lande ist inzwischen gegen einen EU-Austritt. Die neue Mehrheit ist aber nicht sehr viel größer als die alte für den Brexit. Mit anderen Worten, das Land ist weiterhin bitter gespalten.

Nun gibt es viele Unterhhausabgeordnete, die gerne in der EU bleiben würden, deren Wahlkreis aber für den Brexit gestimmt hat. Das trifft auf eine Reihe von Abgeordneten auch anders herum zu, die selbst Brexiteers sind, aber einen Wahlkreis von EU-Befürwortern haben. Sie alle müssen fürchten, bei Fehlverhalten nicht mehr wieder gewählt zu werden.

Aber auch die Abgeordneten, die sich stets auf das Referendum als Ausdruck der demokratischen Willens der Wähler berufen haben, können jetzt nicht mehr sagen, des Volkes Wille sei klar und sie setzten ihn im Parlament um. Erstens ist des Volkes Wille nicht sehr klar, und zweitens ist das Parlament nicht fähig, diesen Willen umzusetzen. Aus all diesen Gründen ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass Theresa May nächsten Dienstag scheitert und ein weiteres Referendum, das dritte insgesamt zum Thema, abgehalten wird.

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Ein drittes Brexitreferendum

Beim Thema Brexit ist jetzt vieles klarer. Das Unterhaus in London streitet fünf Tage und stimmt dann am 11. Dezember gegen den zwischen Brüssel und London ausgehandelten Vertrag. Die Labourpartei, die schottische SNP, die nordirische DUP und eine große Zahl der Tories sowie die Liberalen werden gegen den Vertrag stimmen. Sicher, es gibt auch einige Labourabgeordnete, die für den Vertrag sind, aber die große Zahl der Rebellen, 98, auf der Regierungsbank garantiert beinahe eine Mehrheit gegen den Brexitplan.

Die wichtige Frage ist, was macht die Premierministerin dann? Sie hat erklärt, es gäbe nur eine Alternative – ohne einen Vertrag aus der EU auszutreten – der sogenannte harte Brexit. Sie könnte auch ihren Vertrag nach drei Wochen dem Unterhaus zum zweiten Mal vorlegen. Das könnte allerdings verhindert werden. Wenn Theresa May am 11. Dezember verliert, will die Labourpartei ein Mißtrauensvotum beantragen, um Neuwahlen zu erzwingen.

Inzwischen ist von der großen Mehrheit der Abgeordneten und der politischen Beobachter akzeptiert, dass ein harter Brexit die schlimmste aller Welten für die Briten wäre. Abgesehen vom ausgehandelten Plan der Premierministerin bieten sich auch einige andere Möglichkeiten, dies zu verhindern. Das wird zur Zeit in Großbritannien heftig diskutiert, doch darf man nicht ignorieren, dass sich das Unterhaus in einer selbst gestellten Falle befindet.

Das Referendum im Jahre 2016 war als rechtlich nicht bindend bezeichnet worden. Seitdem ist es aber so behandelt worden, als wäre es Gesetz. Der Wähler hat gesprochen und wir müssen uns daran halten, so die Mantra der austrittswilligen Brexiteers. Dabei wird natürlich ignoriert, dass es schon 1975 ein Referendum gegeben hat, das sich sehr klar für einen Verbleib in „Europa“ ausgesproche hat. Diesen Hinweis hören viele Brexiteers ungern und behaupten, damals hätte man nur über einen gemeinsamen Markt abgestimmt. Das ist natürlich Unfug.

Wer lesen konnte, wußte auch damals, dass das Projekt Europa – angefangen von der Montanunion über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) zu einer immer engeren Union der Völker Europas führen soll. Natürlich hat das damals niemand in der britischen Öffentlichkeit mit dieser Perspektive diskutiert. Aber auch die Kampagnen vor der Abstimmung 2016 haben dem Wähler nicht erklärt, worum es bei dem Austritt aus der EU wirklich geht. Es wurde mit Klischees und Lügen gearbeitet. Die wirtschaftlichen Auswirkungen werden aber erst jetzt für viele Briten klarer.

Selbstbestimmung und Kontrolle der Grenzen, sprich der Einwanderung, waren die bestimmenden Argumente. Zugespitzt formuliert ging es um die immer stärkere Abneigung gegenüber Ausländern. Xenophobie. Das hat sich bis heute nicht geändert. Umfragen ergeben, bei einem Referendum mit der Frage „harter Brexit“ oder der „ausgehandelte Vertrag“ gäbe es eine Mehrheit von 52 zu 48 Prozent für den harten Brexit.

Nun fällt es vielen Abgeordneten(MPs) schwer, die Entscheidung selbst zu treffen. Es gibt eine relativ ausgewogene Zahl von Wahlkreisen, die für den Brexit oder dagegen sind. Die MPs möchten ungern gegen den Willen ihrer Wähler stimmen. Sie fürchten um ihren Sitz im Unterhaus. Deshalb ist es sehr wahrscheinlich, dass eine Mehrheit der Abgeordnegten die Verantwortung dem Wähler überlassen will. Die Politik hat sich in dem Moment ihrer Unabhängigkeit beraubt, als man das Referendum als bindend betrachtet hat.

Es wird also nach einigen Verrenkungen letztlich auf ein drittes Referendum hinaus laufen. Denn selbst wenn die Labourpartei die nächsten Unterhauswahlen gewinnen sollte, und sie liegt im Augenblick in den Umfragen deutlich vorn, wird es ihr nicht leicht fallen, den Wähler nun plötzlich wieder zu entmündigen, nachdem die Politik ihn zwei Jahre und länger als den eigentlichen Souverän in der Frage der EU-Mitgliedschaft behandelt hat. Die Ironie der Geschichte könnte sein, dass sich auch bei dieser dritten Volksbefragung zum Thema Europa die ausländerfeindlichen Wähler behaupten. Nun wird dieses dritte Referendum, wenn es denn ein solches gibt, wohl erst in einigen Monaten stattfinden. Es ist also noch Zeit, damit die Vernunft über die Verunsicherung die Oberhand gewinnt. Diese Entscheidung wird auch bestimmen, welche Optionen man dem Wähler auf dem Abstimmungszettel anbietet.

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Es geht um den Einfluss der EU

Donald Trump ist beleidigt, weil Emmanuel Macron eine europäische Armee möchte. Gut, Macron hat als potentielle Gegner Europa nicht nur die Russen genannt, sondern auch die USA. Deshalb braucht man dem französischen Präsidenten aber keine de Gaulleschen Attitüden nachzusagen. Trump hat in seiner Amtszeit genug getan, um französisches und europäisches Mißtrauen zu schüren.

Die Nato kann auch kein Ersatz für eine europäische Streitmacht sein. Immerhin hat Trump erklärt, wenn die Europäer nicht zahlten, machten die USA eben ihr eigenes Ding. Das heißt, die Nato ist kein Verteidigungsbündnis mehr sondern ein Inkassobüro Washingtons. Es ist andererseits richtig, dass viele Länder, eben auch Deutschland, die Selbstverpflichtung der Nato-Mitglieder von 2014, mindestens zwei Prozent ihres Bruttosozialprodukts für Verteidigung auszugeben, nicht eingehalten haben. Mit anderen Worten, die Nato existiert noch, sie verliert aber Schritt für Schritt ihre raison d’être.

Die Nato hat sich nicht überlebt, weil Russland keine Bedrohung mehr wäre. Es sind vielmehr noch andere Bedrohungen hinzu gekommen. Die Zahl der Länder, die in der Lage sind, Nuklearwaffen einzusetzen, oder gewillt sind, regionale Kriege zu führen, wächst ständig. Die Nato ist ein Produkt des Kalten Krieges und der ist vorbei. Die USA konzentrieren ihr Interesse immer stärker auf den pazifischen Raum, und Europa muss lernen, auf eigenen Füssen zu stehen. Die Nato ist obsolet.

Nun wird argumentiert, für ein europäisches Verteidigungsbündnis brauche man nicht die Nationalstaaten abzuschaffen. Herr Busse, der dies heute in der FAZ als nationaler Vordenker konstatiert, hat Europa nicht begriffen. Bayern existiert ja auch weiter, obgleich es eine nationale Bundeswehr gibt.

Es kann doch niemand abstreiten, dass ein einheitliches, gemeinsames Kommando, gemeinsame Beschaffung von Waffen und eine Harmonisierung der Struktur der Streitkräfte die Verteidigungskraft Europa stärken würden. Statt den europäischen Gedanken zu fördern, wird in Deutschland aber vor allem gemosert: Die Deutschen sollten die Zeche bezahlen, das ginge alles nicht, weil es doch undemokratisch wäre, und überhaupt, wollen wir nun etwa doch Atomwaffen haben.

Die Deutschen glauben gerne, sie wären sehr reich und alle wollten an ihre Kohle. Richtig ist hingegen, dass Deutschland rund 27% in die EU-Kasse zahlt. 73% zahlen die anderen. Wer Europa demokratischer machen möchte, sollte den Europäischen Rat abschaffen und die Rechte der Kommission stärken sowie auf eine gerechtere Repräsentation der Bevölkerung im Parlament insistieren, also sich an der Zahl der Bevölkerung orientieren.

Das Thema Nuklearwaffen ist sehr emotionsgeladen. Deutschland braucht in einer europäischen Streitmacht auch keine Atomwaffen. In einer europäischen Armee wären diese Waffen europäisiert, d.h. die Deutschen hätten keine alleinige Verfügungsgewalt darüber.

Was nun das Geld angeht, da würden wahrscheinlich alle ein wenig sparen. Der bisher betriebene Doppelaufwand, die unsinnige Verschwendung von Geldern durch parallele Beschaffung von Waffen, die mangelnde Koordination der Streitkräfte, allein schon die zigfachen Kommandostrukturen bieten enormes Sparpotential.

Aber es geht ja gar nicht wirklich ums Geld sondern um Europa. Ja, eine Reihe von Ländern sind der EU wegen des Geldes beigetreten. Doch ist das nur eines der europäischen Bindemittel. Wie komplex die Verzahnungen in der EU bereits sind, zeigt das Beispiel Großbritanniens. Der Brexit ähnelt einem Selbstmord aus Angst vor dem Tode. Die Briten fürchten in der EU ihre nationale Identität zu verlieren. Alleine außerhalb der EU wird ihre Identität jedoch bedeutungslos, ohne jeden Einfluss. Macron versucht, mit einer europäischen Streitmacht, den Einfluss jedes EU-Mitglieds in der Welt zu stärken.

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MERZ UND EIN ENDE IN SICHT

Was würde passieren, wenn Friedrich Merz neuer CDU-Chef wird? Erstmal nichts anderes als unter Merkel, aber dann würde sein konservatives Denken allmählich die Koalition zerstören. Vor der Wahl des neuen CDU-Chefs auf dem Bundesparteitag der CDU in Hamburg im Dezember sagen natürlich alle Kandidaten, sie könnten gut mit der Kanzlerin Angela Merkel zusammen arbeiten. Wer was anderes sagte, würde nicht gewählt werden. Aber danach ist alles offen.

Am Koalitionsvertrag würde auch Merz nicht rütteln. Doch ist Politik ja nicht statisch. Es entwickeln sich ständig neue Aspekte alter Probleme oder gänzlich neue Situationen. Merz wäre nicht Merz, wenn er dann seine Grundhaltung aufgeben würde, und er ist nun einmal konservativer geprägt als die Kanzlerin.

Einige Experten sind der Meinung, Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) wäre die Kandidatin der Herzen in der CDU, aber der Kandidat der Machtvernunft sei Merz. Dabei wird unterstellt, dass die Vernunft, sprich der Wille an der Regierungsmacht zu bleiben und dann Wahlen zu gewinnen, für Merz spräche. Das mag heute vielleicht sogar wahr sein, zumindest deuten Umfragen an, dass die CDU-Mitglieder mehrheitlich für Merz sind.

Bis zum CDU-Parteitag ist es noch ein Monat, und dann wird erstmal regiert. Das Mindesthaltbarkeitsdatum der Koalition ist von der SPD auf den Herbst 2019 festgelegt worden, dann soll Bilanz gezogen und über den Fortgang oder Abbruch der Koalition entschieden werden. Merz hat also 9-12 Monate Zeit, um das vorzeitige Ende der Koalition zu provozieren. Das wird sein Ziel sein.

Nur so kann Merz der SPD den Schwarzen Peter zuschieben, regierungsunfähig zu sein. Nur so behielte er das Gesetz des Handelns in seiner Hand. Ein Weitermachen unter Merkel als Kanzlerin und mit der SPD als dominierenden Koalitionspartner über 2019 hinaus widerspricht allem, was man über Friedrich Merz als Politiker weiß. Niemand kann ernsthaft glauben, dass der neo-liberal denkende Merz sich der politischen Position Merkels auch nur andeutungsweise genähert hat.

Das bedeutet, mit Merz als CDU-Chef gibt es wahrscheinlich im nächsten Jahr vorgezogene Wahlen. Das bedeutet aber auch, dass die Grünen ein noch klareres und stärkeres Profil hätten als jetzt. Sie würden weiter zulegen und mit der Union gleichziehen oder sie gar überholen können. Die Union, die SPD und die AfD müssten Federn lassen.

Die AfD kann in den kommenden Monaten das Flüchtlingsthema nicht mehr so wie bisher ausbeuten, weil es an Aktualität und Bedeutung verliert. Mit der Betonung des Nationalen allein wird die AfD, außer im Osten, nicht ausreichend Zugkraft behalten. Die nachlassende Konjunktur dürfte dazu beitragen, dass die Union als Regierungspartei vom Wähler bestraft wird. Außerdem dürften die Spannungen zwischen Merkel und Merz andauern und die Wähler vergrätzen. Dabei ist noch unklar, welche Rolle Horst Seehofer spielen wird. Sollte seine Partei ihn als CSU-Chef abwählen, hieße das mehr Ruhe in der Koalition. Bleibt er Chef müßte Merkel ihn entlassen oder weiteren Streit akzeptieren. Der Mann ist zu kleinkariert für ein vernünftiges Verhalten.

Die Vernunft der Machterhaltung spricht also nicht für sondern gegen Friedrich Merz. Unter Karrenbauer hätte die Koalition zumindest eine Chance, bis zum oder bis kurz vor dem Ende der Legislaturperiode zu regieren. Aber weder AKK noch Merz werden die Entwicklung der Union von einer Volkspartei zu einer Partei unter vielen verhindern können. Die deutsche Gesellschaft hat sich verändert und trägt ein System der Volksparteien nicht mehr.

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